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Getestet: Koenigsegg Agera RS

Getestet: Koenigsegg Agera RS
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Der Artikel zum Koenigsegg Agera RS stammt aus meinem Archiv und erschien in dieser oder abgewandelter Form in verschiedenen Print- und Onlinemagazinen.

Der Koenigsegg Agera RS ist so etwas wie der wahr gewordene Traum auf Rädern. Nun ergab es sich so, dass ich einen Autosammler aus der Schweiz traf und er sagte: „Hier ist der Schlüssel. Viel Spaß und bis später.“



Eine ebenso coole wie noble Geste; denn dieses Auto in freier Wildbahn zu bewegen, ist quasi wilder Sex auf Rädern. Getoppt wird diese Möglichkeit durch das Kribbeln beim Gedanken an die Produktionszahl von Koenigsegg, die bei ungefähr einem Auto pro Monat liegt.

Wer hier am Lenkrad sitzt und den Agera RS gegen die Wand jagt, verewigt sich mit ungewollter Berühmtheit in den Gazetten der schreibenden Autogemeinde und bei allen Carspottern dieser Welt.

Koenigsegg Agera RS

Doch der Reiz des absolut Besonderen und die Antwort auf vor allem eine Frage sind größer als die Angst vor einem Abflug: Geht das Teil nun besser als ein Bugatti Veyron oder nicht? So gibt mir der Eigentümer noch ein „Wenn Du so ab 200 aufwärts fährst, tritt mal bitte voll in die Eisen“ mit auf den Weg und los geht’s.

Déjà-vu beim Einstieg, der durch die sich nach oben aufschwenkenden Türen, wie bei meiner ersten Begegnung mit einem Koenigsegg vor einigen Jahren, sehr eng ist. Auch die Sportschalensitze passen immer noch perfekt. Im Vergleich zu damals hat sich der Innenraum ein wenig verändert, bleibt allerdings äußerst überschaubar und clean.

Dieser Agera wurde laut Tachostand erst ganze 318 Kilometer auf der Straße bewegt. Danke, lieber Automobilgott. Ein G-Kraft-Messer und das zentrale Kombiinstrument lassen erahnen, worum es bei diesem Auto eigentlich geht. Um den puren Druck auf den Asphalt.

Koenigsegg Agera RS

Erste Erfahrung bei meinen persönlichen Einführungsrunden im Stadt- und Landstraßenverkehr: Mehr auffallen als in diesem Automobil kann man auch in einem UFO nicht. Die obligatorischen Blicke, Ah’s, Oh’s und Smartphone-Fotos nehmen selbst bei zurückhaltenden Schweizern solche Ausmaße an, dass man sich als Fahrer wie von einem anderen Stern fühlt. Das mag sicher auch an der ziemlich einmaligen Farbgebung liegen, die durch die beiden Streifenelemente auf der Motorhaube kräftig unterstützt wird. Ein richtig krasses Optik-Statement.

Gepaart mit der geringen Höhe von nur circa 1,15 Metern liegt die atemberaubende Leichtmasse wie eine Frisbee-Scheibe auf der Schweizer Erde. Monumentale Räder, große Lufteinlässe, der extravagante Heckspoiler und das kanonenähnliche Endrohr sorgen für Blickfänge aus jedem Betrachtungswinkel.

Agera hat übrigens zwei Bedeutungen: „Zeitlos“ im Griechischen und „Handeln“ im Schwedischen, was den gesamten Charakter des Fahrzeugs unterstreichen soll. Der Agera RS wird um ein leichtes Carbonchassis angefertigt. Der Motor ist dabei in einer rohrförmigen Halterung am hinteren Ende des Wagens positioniert.

Christian von Koenigsegg

Umschlossen wird das Ganze von einer ausschließlich aus Carbon bestehenden Hülle. Und der Supersportwagen zeigt seine Schnelligkeit und die quasi zur Schau getragenen 1.175 PS mit jeder Pore.

Ich muss raus hier, wo die Cops nur darauf warten, dass Fahrer solcher Boliden einen Fehler und damit eine Straftat begehen. Es geht nun Richtung Singen, um Deutschland und damit endlich eine Autobahn zu erreichen, auf der das Spiel mit dem Gaspedal nicht die berufliche Zukunft kostet, so wie bei der Autobahngeschwindigkeit in Slowenien.

Es kitzelt. Denn der Gedanke, ob der Agera mich gleich mehr kicken wird als ein Veyron, steht zwischen dem Schweden-Toy und mir. Wir erreichen den Asphalt, auf dem dieses automobile Kunstobjekt sich austoben und mich mit Kräften von bis zu 1,6 G für eine schnelle Fahrweise bestrafen darf.

Per fliegendem Raketenstart kommt der Motor auf Hochtouren. Gangwechsel werden nun mit donnernden Schlägen quittiert. Das Auto lenkt sich perfekt und präzise. Bei 250 km/h fällt mir der gute Brems-Ratschlag des Eigentümers ein. Blick in den Rückspiegel, alles frei.

Koenigsegg Agera RS

Ein Tritt ins Pedal – und mich trifft ein doppelter Cross der Klitschko-Brüder mitten in die Fresse. Es ist so, als ob ein Kampfjet auf dem Deck eines Flugzeugträgers mit aller Macht von seiner Geschwindigkeit befreit wird.

Aus dem Stand beschleunigt der Agera jetzt in weniger als drei Sekunden auf 100 km/h, nach ein paar Sekunden mehr sind wir schon wieder bei 200 km/h. Der 5,0 Liter V8 wurde von den führenden Köpfen um Christian von Koenigsegg mit zwei Turboladern auf grandiose Höchstleistung getrimmt. 1.280 Newtonmeter maximales Drehmoment lassen mir keine Chance, beim Beschleunigen irgendein Körperteil außer den durchgestreckten Armen zu bewegen.

Der Agera überträgt seine Kraft und die Geschwindigkeit – trotz Komfort und Sicherheitsgefühl – roh, pur und gewaltig. Dies ist das Automobil für echte Männer. Die Beschleunigung, sie lässt einfach nicht nach. Das Elastizitätsgefühl ist unglaublich. Man möchte dem RS irgendwie den letzten, dreckigen Gasdruck geben.

Und was ist nun mit dem Bugatti Veyron, setzt der Agera bei voller Auslastung der Vorwärtsgänge mehr Schmetterlinge im Bauch frei? Das Gefühl des Vordrangs ist beim Agera extrem und gewaltig. Es ist einfach schmutziger und brachialer als beim technisch perfekten sowie stets souveränen Veyron. Im Bugatti erlebte ich Perfektion, die das Maß aller Dinge ist. Der Agera RS versetzte die Sinne in einen Rausch. Kaum messbare Unterschiede im 0,x Sekundenbereich sind dabei für mich überhaupt nicht ausschlaggebend.

Koenigsegg Agera RS

Auch nicht, ob ein Auto ein paar km/h schneller als das andere fahren kann und wer mal welche Geschwindigkeitsweltrekorde hielt. Kein Fahrer wird seinen Supersportwagen permanent am Limit bewegen können. Er möchte aber, wenn er Lust und die entsprechende Laune dazu hat, den Reiz der Geschwindigkeit ausleben.

Es geht um das Glück und die Freiheit, es im selbst ausgewählten Moment auf einer Straße der Wahl einfach tun zu können. Das Beste ist, wenn man dafür beide Fahrzeuge zur Verfügung hat und die Höhenflüge weit jenseits der 300 km/h auf verschiedene Arten erleben kann. Sie wollen ja auch nicht täglich Kobe-Beef speisen.

Der Agera RS ist einzigartig. Atemberaubend schnell. Etwas für Männer mit Leidenschaft, die ihren Beifahrern mal die Augäpfel aus den Augenhöhlen oder das Pipi in die Hose treiben möchten. Den Schlüssel habe ich wieder abgegeben. Unfallfrei. Ohne Kratzer.

Irgendwann, da werde ich dieser Kiste den letzten, dreckigen Gasdruck verpassen…

© Fotos: Koenigsegg

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